Explosion im Libanon: Hilfe braucht langen Atem

„Die Menschen im Libanon stehen noch unter Schock und sind noch damit beschäftigt, den Schutt der Katastrophe von der eigenen Seele zu schaufeln, während sie gleichzeitig schon damit begonnen haben, den Schutt auf den Straßen zu beseitigen. Wer die Bilder der verletzten Menschen gesehen und das Ausmaß der zerstörten Häuser begriffen hat, der weiß: Hilfe muss in dieser Situation immer einen langen Atem haben – wir müssen vor Ort sein und vor Ort bleiben“, sagt Caritas-Präsident Michael Landau angesichts der Katastrophe, die sich Anfang August in Beirut abgespielt hat. Noch immer kämpft die Bevölkerung mit den Auswirkungen – und wird es voraussichtlich noch länger müssen.

Mehr als 170 Menschen haben ihr Leben bei der Explosion verloren, 6.000 Menschen wurden verletzt, 300.000 obdachlos, zahlreiche sind noch immer vermisst. Vier Krankenhäuser wurden zerstört, die verbliebenen waren schon vor der Explosion durch Corona überlastet. Die Lage Libanons war schon vor der Explosion instabil. Die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Bürgerkrieg ließ die Preise unkontrolliert in die Höhe schnellen. Und schon bevor die Regierung zurückgetreten war, gab es schwere Korruptionsvorwürfe, die die Menschen auf die Straße trieb. Schon da skandierten sie: „Wir sind müde, wir haben Hunger!“ Hinzu kommen die 900.000 syrischen Flüchtlinge, die das Land, das etwa so groß wie Tirol ist, aufgenommen hat. Und jetzt noch die Explosion, die Katastrophe, die vielen Verletzten, die vielen Menschen, die von einer Minute auf die andere ihr Dach über dem Kopf verloren haben. „Es ist die akute Hilfe, die jetzt dringend gebraucht wird. Entscheidend ist aber – das wissen wir von anderen Katastrophen – die mittel- und langfristige Hilfe, die dazu beiträgt, dem Land, das gerade am Limit ist, wieder auf die Beine zu helfen, den Wiederaufbau zu stemmen. Lassen Sie uns nicht vergessen: Die Not der Anderen ruft uns zum Handeln!“, appelliert Michael Landau.

 

Hilfe nach der Katastrophe

Die Caritas Libanon hat sofort nach der Explosion mit Hilfsmaßnahmen in den betroffenen Gebieten begonnen. So konnte die Caritas Libanon mit Stand 13. August über 46.261 Menschen helfen. Hygiene Kits wurden verteilt, 1.879 Lebensmittel-Packages wurden an Einzelpersonen ausgehändigt, 38.214 warme Mahlzeiten wurden an bedürftige Menschen ausgegeben, 423 Verletzte wurden medizinisch mit Erster Hilfe versorgt und 4.533 Medikamente wurden an PatientInnen verteilt, 120 Menschen wurden mit psychologischer Unterstützung versorgt und die Caritas Libanon youth volunteers haben geholfen, 626 Häuser und ein öffentliches Gebäude aufzuräumen und zu reinigen. Die Caritas Libanon zeigt einen unermüdlichen, derzeit 24h Dauer-Einsatz, um den vielen betroffenen Menschen zu helfen. Die Caritas Österreich unterstützt, gemeinsam mit der Caritas Salzburg, in einem unmittelbar ersten Schritt, die Caritas Libanon mit 40.000 Euro in der Nothilfe. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, mehr als 84.000 Menschen in den nächsten Wochen mit den wichtigsten Nothilfegütern zu unterstützen.

„Wir sind mit der Caritas Salzburg und dem Engagement der Caritas Österreich schon seit 25 Jahren in der Region und insbesondere auch im Libanon aktiv. Wir sind im Einsatz für Flüchtlinge tätig und unterstützen nachhaltige Projekte, die vor allem Kindern und Frauen eine Zukunftsperspektive geben. Und wir wissen aus diesem Engagement heraus, wie stark die Menschen im Libanon sind“, sagt Landau. Die Bilder der vergangenen Tage zeigten nicht nur Zerstörung oder Gewalt, sondern auch den starken Zusammenhalt und das Engagement der Zivilgesellschaft. „Die großherzigen Menschen Beiruts helfen einander. Sie haben Initiativen gebildet, um den Betroffenen in allen möglichen Anliegen zu unterstützen – bei rechtlichen Fragen, bei medizinischen Nöten, bei Reparaturdiensten, bei psychischen Gesundheitsdiensten“, sagt Landau. “Unglaublich viele junge Menschen haben sich gemeldet, um freiwillig mitzuhelfen – viele davon sind aus anderen Landesteilen extra nach Beirut gereist“, fährt er fort.

„Bitte unterstützen Sie uns nicht nur jetzt in dieser schweren Stunde, sondern helfen Sie uns langfristig zurück auf die Beine. Unterstützen Sie die Menschen Libanons, die fest daran glauben, dass es kein gewöhnliches Land ist, sondern ein ganz besonders. Wir wollen Beirut wieder aufbauen“, sagt Rita Rhayem, Direktorin der Caritas Libanon.

Die Katastrophe im Libanon hat auch weitreichende Auswirkungen auf sein Nachbarland Syrien. „Der Libanon ist das Tor nach Syrien. Internationale Hilfe und Geldflüsse erreichen durch den Libanon das kriegsgebeutelte Land. Schon die Wirtschaftskrise im Libanon hatte enorme Auswirkungen auf Syrien. Die Inflationsrate führte zu einer 150prozentigen Preissteigerung. Die Explosion wird sich jetzt auch auf die Versorgungslage auswirken“, sagt Judith Hameseder, Delegierte der Caritas Österreich im Libanon.

„Alle gemeinsam können wir dazu beitragen, den Menschen in diesen schweren Stunden beizustehen, ihnen für die nächsten Wochen Hoffnung zu geben, und für die Zukunft eine stabile Perspektive“, bittet Caritas-Präsident Michael Landau auch um Spenden.

 

Karim El-Gawhary im Gespräch mit Gudrun Doringer, Leiterin der SN-Außenpolitik

Letzte Woche konnten wir gemeinsam mit den Salzburger Nachrichten den Leiter des ORF-Nahostbüros, Karim El-Gawhary, im SN-Saal begrüßen. Er analysierte die Entwicklung in der Region und ging dabei auch auf die Folgen der Explosion in Beirut ein.

Das Gespräch wurde aufgezeichnet und kann auf YouTube nachgesehen werden.