Es ist Ende des Monats und das Geld reicht nicht mehr für Lebensmittel. Es ist kalt in der Wohnung, weil die Heizkosten zu hoch sind. Menschen stehen vor der Entscheidung, ob sie Kleidung kaufen oder die Stromrechnung begleichen. Unvorstellbar?
In Salzburg und im Tiroler Teil der Erzdiözese geht die Caritas bei einer vorsichtigen Schätzung von rund 70.000 armutsgefährdeten Menschen aus. Das heißt, diese Menschen müssen jeden Cent zweimal umdrehen, sich Monat für Monat überlegen: Bezahle ich die Miete, heize ich meine Wohnung oder fülle ich den Kühlschrank? „Die Teuerungen und die Rekordinflation der letzten Monate wirken sich dramatisch aus, die Folgen werden sichtbar: In allen existenziellen Bereichen steigt der Bedarf an Hilfe, ein Teil unserer Gesellschaft kann sich das Alltäglichste schlichtweg nicht mehr leisten“, zeigt sich Johannes Dines, Direktor der Caritas Salzburg, besorgt.
Die Haussammlung ist die wichtigste Sammlung der Caritas und der Pfarren und ein Lebensnerv der Hilfe für die Schwächsten in unserer Gesellschaft. Von 1. bis 31. März 2023 machen sich tausende freiwillige Haussammlerinnen und Haussammler aus den Pfarren auf den Weg. Sie läuten an den Türen, um Spenden für Menschen in Not in der Pfarre und in der Region zu sammeln. Ein starkes Zeichen des Miteinanders und des Zusammenhalts.
Die Hilfe kommt dort an, wo sie am nötigsten gebraucht wird. 40 % der Spenden bleiben in den Pfarren für unmittelbare Hilfe in der Nachbarschaft und in der Gemeinde, 60 % gehen über die Caritas an Menschen in Not in der Region. Caritas und die Pfarren lindern gemeinsam Not.
Bitte öffnen Sie Türen und Herzen
„Die Situation in unserer Sozialberatung ist alarmierend: Nach den enormen Steigerungen bei den Lebensmittel- und Energiepreisen wirken sich die Teuerungen nun auch bei den Mieten aus“, berichtet Johannes Dines. „Ich bitte all jene, die nicht jeden Euro umdrehen müssen, um Hilfe. Es gilt, sowohl bestehende Armut zu bekämpfen als auch neue Armut zu verhindern. Bitte öffnen Sie unseren Haussammlerinnen und Haussammlern Türen und Herzen! Egal, wie klein oder groß der Beitrag ist, den Sie teilen können, wir können damit Menschen in Not unterstützen.“ Einige gute Maßnahmen wurden von der Regierung bereits gesetzt, diese reichen aber nicht immer aus, um die Situation der Menschen nachhaltig zu stabilisieren.
Pfarren übernehmen Verantwortung
„Ein ganz wesentlicher Grundauftrag für jede Christin und jeden Christen ist es, an der Seite derer zu stehen, die in Not sind“, sagt Harald Mattel, Pfarrer von Seekirchen. „Gerade deshalb ist uns als Pfarren die Haussammlung ein wichtiges Anliegen, weil diese Haltung ganz konkret werden kann. Wir übernehmen Verantwortung, wir erklären uns solidarisch – und wir können als Gemeinden mit Hilfe aller Gemeindemitglieder ganz konkret Hilfe leisten.“
Pfarrer Harald Mattel hofft, dass sich vermehrt auch wieder viele junge Menschen engagieren: „Ganz im Sinn der Einladung von Papst Franziskus aus der Jugendsynode ‚Liebe Freunde, wartet nicht bis morgen, um mit eurer Energie, eurem Wagemut und eurer Kreativität an der Verwandlung der Welt mitzuwirken. Euer Leben ist nicht ein ‚in der Zwischenzeit‘. Ihr seid das Jetzt Gottes, der euch fruchtbar will.‘ (Christus vivit 178)
Hilfe ist dringend nötig
In der Sozialberatung der Caritas Salzburg – im Zentralraum, in allen Bezirken, Online sowie telefonisch - konnten 2022 gesamt 3.500 Personen beraten und damit insgesamt mehr als 6.000 Menschen in schwierigen Lebenssituationen geholfen werden. Dahinter stehen 15 Mitarbeiter*innen (= ca. 9 VZÄ), die sich in der Sozialberatung und in den Caritaszentren für Menschen in Not einsetzen.
„Das sind rund 14.000 Stunden des Zuhörens, des gemeinsamen Suchens nach Lösungen, der Beratung, der Unterstützung bei der Antragstellung um staatliche Unterstützungsleistungen, des Trostes und des Mutmachens, der Auszahlung von Hilfe, der Kontaktaufnahme mit Netzwerkpartner*innen oder der Intervention bei Vermietern, um Delogierungen zu verhindern“, erklärt Johannes Dines. „Wir schaffen es aufgrund der Zunahme an Hilfesuchenden jedoch nicht, für alle da zu sein. Wir schätzen, dass der Bedarf an Hilfe viel größer und gehen davon aus, dass zumindest 10 Prozent sogenannte ‚Lost Calls‘ sind. Menschen melden sich, aber kommen telefonisch nicht durch und geben nach 2-3 Mal auf, weil wir den Ansturm personal- und ressourcenbedingt gar nicht schaffen.“
Im Vergleich Jänner 2022 auf Jänner 2023 hat sich die Zahl der beratenen Personen verdoppelt, alleine von Dezember 2022 auf Jänner 2023 waren es um etwa 37 % mehr Menschen, die beraten wurden.
Neue Not
Mehrere Gruppen von Menschen sind betroffen: „Zum einen diejenigen, die bisher schon zu wenig zum Leben hatten. Dazu geraten nun mehr und mehr Menschen in oft ausweglose Situationen, die zwar im Arbeitsleben stehen, aber zu wenig verdienen, um Geld zurücklegen zu können, denen also monatlich nichts übrigbleibt. Sie können die Mehrkosten und Nachzahlungen kaum stemmen“, erklärt Johannes Dines.
„Auffallend ist die Steigerung bei den Erstkontakten – also den Menschen, die sich zum ersten Mal an die Caritas wenden: diese Zahl hat sich im Jahresvergleich 2021 auf 2022 verdreifacht“, berichtet Stefanie Brucker, die Leiterin der Caritas Sozialberatung. „Hier zeigen sich die Auswirkungen auf Pensionist*innen und auch auf Menschen, die mitten im Arbeitsleben stehen, sich aber zu wenig auf die Seite legen können, um zum Beispiel eine Energieabrechnung von mehr als 1.000,- Euro bezahlen zu können.“
Dreifache Belastung
Haushalte mit niedrigerem Einkommen haben meist überdurchschnittlich hohe Energiekosten. Denn sie leben oftmals in älteren Wohnungen, die veraltete und energieintensive Öl- oder Stromheizungen haben. Dazu kommen mangelnde Dämmung und Elektrogeräte mit schlechter Energieeffizienz. „Diese Menschen sind dreifach betroffen: von den Erhöhungen bei Lebensmitteln, bei Energie und bei den Mieten, die nun auch steigen. 32.000 Menschen in Salzburg gaben bereits vor der Inflation mehr als 40 Prozent ihres Haushaltseinkommens fürs Wohnen aus1. Nach Abzug der Fixkosten bleibt den Menschen vielfach zu wenig zum Leben, sie können sich größere Ausgaben wie zum Beispiel für ein kaputtes Haushaltsgerät oder auch kleinere wie für Geburtstagsgeschenke für die Kinder nicht mehr leisten“, sagt Johannes Dines.
Auch am Land ist die Situation dramatisch
Auch regional – die Caritas Salzburg ist in allen Salzburger Bezirken und im Tiroler Unterland (Bezirke Kufstein und Kitzbühel) mit Beratungsstellen für die Menschen da – zeigt sich ein ähnliches Bild. „Die Menschen sind verzweifelt, es geht sich einfach nicht mehr aus und sie sind ständig in Sorge vor der Zukunft“, berichtet Silvia Kroisleitner, Leiterin des Caritas-Zentrums Zell am See. „Die Menschen verzichten auf Dinge, die selbstverständlich sein sollten: Einen Kindergeburtstag, ausreichend Wärme in der Wohnung oder Sozialkontakte.“ Am Land haben die Menschen das zusätzliche Problem, dass die Arbeitswege sehr weit sind, die öffentlichen Verkehrsmittel deutlich weniger nutzbar und somit ein eigenes Auto nötig ist. Dazu kommt die oftmals fehlende Kinderbetreuung.
Kinder können nicht zu Geburtstagsfeiern gehen
„Letzte Woche war eine alleinerziehende Mutter von zwei Kindern bei mir“, erzählt Silvia Kroisleitner. „Sie arbeitet nun 30 statt bisher 20 Stunden, wegen der Teuerungen bleibt aber am Monatsende nicht mehr übrig.“ Besonders für Alleinerziehende ist es besonders schwer. Sie müssen die Fixkosten fürs Wohnen usw. alleine stemmen, können oftmals auch nicht Vollzeit arbeiten wegen fehlender Kinderbetreuung. „Mütter erzählen immer wieder, dass besonders schwer für sie ist, wenn ihre Kinder zu Geburtstagsfeiern eingeladen werden, da braucht es ein Geschenk. Oder wenn ihre Kinder gemeinsam mit anderen Kindern etwas unternehmen möchten. Da gilt es dann Ausreden zu suchen“, erzählt Silvia Kroisleitner.
Nachhaltige Verbesserung der Situation
Ziel der Caritas ist es, nachhaltige Lösungen für Betroffene zu finden, um im Idealfall einer kritischen Situation präventiv vorzubeugen. „Wir leisten zum einen finanzielle Nothilfe, zum anderen ist aber die Beratung der Menschen zentral. Denn es braucht langfristige Unterstützung, die Kosten sind jeden Monat zu bezahlen. D.h. wir beraten hinsichtlich staatlicher Leistungen, klären, ob andere Ansprüche bestehen, die dem Klienten nicht bekannt sind, helfen bei den Anträgen etc. So können wir deutlich mehr Menschen helfen, die dann langfristig Unterstützung bekommen. Das ist auch Prävention“, sagt Johannes Dines.
Vielfältige Hilfe in der Region
In den Caritas-Zentren in Neumarkt, Bischofshofen, Zell am See und Tamsweg, in St. Johann/Tirol und Wörgl sowie in der Sozialberatung Stadt Salzburg steht die Nothilfe im Mittelpunkt. Hilfesuchende oder auch Opfer von Katastrophen, wie den Hochwassern in Hallein und im Pinzgau der letzten Jahre werden beraten und informiert, welche staatlichen Unterstützungsleistungen es gibt und wie diese beantragt werden können. Je nach Situation erhalten Betroffene zudem finanzielle Unterstützung oder Lebensmittelpakete bzw. Gutscheine. In den Sozialmärkten Wörgl und St. Johann/Tirol gibt es günstige Lebensmittel und Produkte des täglichen Gebrauchs und in den Carla-Second-Hand-Shops in der Stadt Salzburg (Herrnau, Lehen, Aigen), in Neumarkt sowie in St. Johann/Tirol bietet die Caritas günstige Kleidung.
Neben diesen Angeboten begleitet die Caritas auch schwer kranke Menschen auf ihrem letzten Lebensweg mit den mobilen Palliativteams in Salzburg Stadt und Umgebung sowie im Lungau, Pinzgau und Pongau. Schüler*innen, die Hilfe beim Lernen brauchen, bekommen kostenlos in den Caritas Lerncafés in Salzburg, Bischofshofen, Zell am See und Mittersill Unterstützung. Jugendliche finden Rat und Hilfe beim Streetwork in Hallein, Bischofshofen und Saalfelden.
Haussammler*innen gesucht
Die Pfarren und die Caritas freuen sich über Unterstützung bei der Haussammlung. Neue Haussammler*innen werden immer gesucht. Jede und Jeder ist willkommen; egal wie viel Zeit man investieren kann, und sei es nur ein Tag. Jede Hilfe ist wertvoll.
Wenn Sie mithelfen wollen, melden Sie sich bitte in ihrer Wohnsitzpfarre im Sekretariat.
All diese Projekte können nur mit Spenden – zu einem guten Teil aus der Haussammlung - finanziert und aufrechterhalten werden.
Wir freuen uns über jede Spende!
Über unsere Website:
www.caritas-salzburg.at/haussammlung
Über den QR-Code
oder per Überweisung:
Spendenkonto
Caritasverband der ED Salzburg
IBAN AT84 2040 4000 4020 2038
Bitte den Verwendungszweck angeben: Haussammlung 2023